Seminar: |
Die komische Oper im 19. Jahrhundert |
Referent: |
Ingo Kiefer |
Thema: |
Beschreiben sie für Rossini typische Stilmerkmale |
Die
Mannigfaltigkeit des italienischen Musiklebens im 18. Jahrhunderts erfuhr
zu Beginn des darauffolgenden starke Einschnitte und konzentrierte sich
von nun an fast ausschließlich auf das Musiktheater, wo sich zwischen dem
Komponisten und dem italienischen Publikum ein festes Band wechselseitiger
Beeinflussung geknüpft hatte. Während im Rest Europas das romantische Ausdrucksbedürfnis
in der Instru-mentalmusik sein Medium fand, manifestierte sich die musikalische
Romantik in Italien ausschließlich in der Oper; man kann sagen, daß das
melodramma die Ver-hältnisse in der italienischen Gesellschaft in der selben
Weise widerspiegelten wie der Roman in Frankreich, England und Rußland.
Die Mittelschicht fing an, sogar im Bereich des Musiklebens das Land zu
beherrschen, und Musikverleger wie Ricordi in Mailand bzw. Impresarios (
D. Barbaia ) bestimmten die Opernszene. Im neuen Jahrhundert war kein Raum
mehr für Gelehrte wie Padre Martini; seine geistigen Erben, Padre Mattei
in Bologna, B. Asioli in Mailand und G. Baini in Rom waren auf einen engeren
Wirkungskreis beschränkt. Der Stellenwert kultureller Bildung sank, während
der geschäftstüchtige Impresario und der Verleger immer mehr Macht gewannen,
nicht zuletzt durch die Verwendung neuer Medien wie der Zeitung und industrieller
Verfahren. Die Revolutionsoper mit ihren zeitbezogenen, gesellschafts-kritischen
Implikationen fand in Italien nur wenig Zuspruch. In seinem Vorwort zum
Libretto von La congiura pisoniana ( Mailand 1797 ) verfocht
F. S. Salfi das Ideal einer Oper, die auf die Belehrung des Publikums zielte,
auf das Herz ebenso
wie auf das Ohr, aber zur Erreichung solcher Ziele wäre eine
freiere Form wie die Opera comique oder das Singspiel vonnöten gewesen,
was dem italienischen Ge-schmack allerdings fremd war, wo die Tradition
des durchgehend vertonten Librettos tief verwurzelt war. Der Sturm der Revolution
ruinierte die Lebensgrundlagen vieler Komponisten der alten Schule. Cimarosa
und Paisiello führten ein wechselvolles Leben unter der revolutionären und
der bourbonischen Herrschaft, und das geruh-same Leben der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts endete in einer Periode extremer Wirren.
Bedeutsam ist
für diesen Zusammenhang, daß die beiden größten italienischen Komponisten
des Jahrhunderts, Cherubini und Spontini, nachdem sie eine konventionelle
Laufbahn in Italien begonnen hatten, im Ausland arbeiteten und Opern in
fremden Sprachen schrieben.
Zur selben Zeit, wenigstens in Norditalien, wurde die
Szene von einem Ausländer, von J. S. Mayr, bestimmt, der dort einen von
Gluck beeinflußten, sorgfältig instu-mentierten Typ der Opera seria einführte.
Während in
Deutschland das Ringen um die nationale Oper einsetzt, während in Frankreich
die Meinungen über die Oper ernsthaft gegenüberstehen, weiß man in Italien
nichts von solchen Fragen. Es gibt keinen Kampf der ästhetischen Theorien,
es gibt keinen Gegensatz zwischen nationaler oder internationaler Kunstform.
Es gibt überhaupt kein Problem. Dies wurzelt stets in der Verbindung von
Sprache und Gesang. Italienisch aber war und blieb die Muttersprache der
Oper.
Bleibt die italienische Oper von den Geschehnissen in
Deutschland und Frankreich zunächst unberührt, so zeigen sich doch mittelbare
Rückwirkungen. Italien verliert die Bedeutung als Lehrstätte für Ausländer,
die bisher dort ihre Ausbildung fanden und dann die italienische Oper international
weiterpflegten. Daraus ergab sich eine zweite Rückwirkung. Die alte italienische
Oper erschien als Seria und als Buffa. Die Seria wurde auf allen Theaterplätzen
der Welt verlangt, sie war die Zusammen-fassung aller Gesangskünste. Die
Buffa war zuerst eine Nebenerscheinung, eigentlich nur ein Zwischenspiel
zur Seria, der Handlung und der musikalischen Grundhaltung nach eine volkstümliche
Angelegenheit. Daher stand sie dem italienischen Zuhörer näher als die Seria.
Im gleichen Maße, wie in anderen Ländern die nationale
Oper hochkam, wuchs in Italien die Buffa zur populären Repräsentantin des
Opernschaffens heran. Was in anderen Ländern erst mühsam erkämpft werden
mußte, ergab sich in dem mit der natürlichen Gesangssprache gesegneten Italien
zwanglos durch Ausscheiden der fremden Elemente und dadurch bewirktes Hervortreten
der volkseigenen Kräfte. Durch sie wuchs die Buffa zu einer Vollkommenheit,
die wiederum vorbildlich auch auf das Ausland wirkte. Für Frankreich wurde
die Buffa zum bewußt übernommenen Muster. Seine planmäßige Weiterbildung
führte über das französische Singspiel zur französischen nationalen Operngattung:
zur Opera Comique.
Opera buffa ist eine Sammelbezeichnung für das italienischsprachige komische Musiktheater vom Anfang des 18. Jahrhunderts bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Stilistisch bildet die Opera buffa den Komplementärbegriff zur ernsten Opera seria.
Der
Terminus Opera buffo beinhaltet eine Vielzahl an Bezeichnungen: commedia
per musica, dramma giocoso per musica, melodramma giocoso, dramma bernesco,
farsa und farsetta.
Der Auf- und Ausbau der Buffa in Italien geschieht durch
wenige Werke, sie sind zum größeren Teil heute noch auf der Bühne lebendig.
Den Beginn macht Pergoleses Serva padrona, 1733 zum ersten Male
aufgeführt. Sie ist das Grundwerk, aus dem die Stammbäume der italienischen
wie der französischen Buffo-Oper emporwachsen. In Italien sind die bedeutesten
Nachkommen Paisiellos Barbier, 1780, Cimarosas Heimliche
Ehe, 1792, Rossinis Barbier, 1816 und Donezettis Pasquale,
1843.
Seva padrona gibt die ganze Gattung im Reingehalt
wieder. Nur zwei singende Personen erscheinen: eine Frau und ein Mann. Die
dritte handelnde Person ist stumm, sie dient als Fangball, den jene beiden
sich im Spiel zuwerfen. (Diese Rolle übernimmt im Barbier der Barbier selbst,
welcher zwar singt, aber auf eine ver-mittelnde Funktion beschränkt ist.
) Von den singenden ist die Frau ein Mittelsopran, nicht besonders hoch,
eher gelegentlich tief geschrieben, ohne Koloratur. Der Mann ist ein Bass,
ebenfalls von mittlerer Umgrenzung. Von beiden Stimmen wird zwar künstlerische
Gewandtheit verlangt, nirgends jedoch gesangstechnische Virtuosität. Der
Stil ist durchweg Sprechgesang, unmittelbar als solcher in den weitgespon-nenen
Rezitativen behandelt. In den Arien und Duetten wird er in knappe Floskeln
gepresst, sie weiten sich durch thematische Weiterbewegung und periodische
Ausrundung zur ariosen Melodik aus. Man könnte von einer kurzatmigen, fast
motivisch organisierten Erfindung sprechen, läge die Erklärung nicht eben
im Wesen dieses musikalischen Sprachstiles, der die rezitierende Deklamation
auch in der Führung der Gesangslinie beibehält.
Gioacchino Antonio Rossini wurde
am 29. Februar 1792 in Pesaro geboren.
Sein Vater Guiseppe Antonio
Rossini wurde 1764 in Lugo, seine Mutter Anna Guidarini 1771 geboren. Guiseppe Antonio stand als Stadttrompeter im Dienste
der Stadt Presaro. Die Eltern waren beide am Theater tätig: der Vater als
Hornist und seine Mutter als Sopranistin. 1800 wurde sein Vater in Presaro
entlassen und die Familie war auf die Einkünfte aus der Tätigkeit am Theater
angewiesen. Daraus ergaben sich viele Konzertreisen der Eltern. Während
dieser Zeit wuchs Rossini bei seiner Großmutter auf. Er erhält eine wissenschaftliche
und musikalische Ausbildung bei Don Guiseppe Malebri und Klavierunterricht
bei G. Prenetti. Aus dieser Zeit stammen auch seine ersten Kompositionen
wie zum Beispiel eine Sonate für vier Hörner.
Im Jahre 1804 erkrankt die Mutter an Kehlkopfkrebs und
die Familie zieht nach Bologna. Hier erhält Rossini Musikunterricht in vielen
Instrumenten: Klavier, Horn, mehrere Streichinstrumente und Gesang. Schon
in seinem frühen Alter singt er in Kirchen und Theatern Solosopranrollen
und wird an verschiedenen Theatern bereits Chordirigent. Am 24. Juni 1804
wird Rossini an die Accademia Filamonica Bolognese in die Gesangsklasse
aufgenommen. Eine hohe Auszeichnung für den zwölfjährigen Rossini. Dort
erhält er Gesangs- und Cellounterricht. In den Jahren 1807 bis 1810 studiert
er Kontrapunkt bei Padre Mattei. Diese Ausbildung bricht Rossini ab, wohl
schon im Hinblick auf seine spätere Konzentration auf die Oper, oder aber
auch aus Geldnöten.
Im Jahre 1810 erhält Rossini seinen ersten Auftrag für
eine Farsa: Il cambiale di matrimomio. Für das venezianische
Theater S. Moise. Rossini hat Erfolg mit mehreren Opern. Neben Opern für
Venedig schrieb Rossini 1812 auch sein erstes Auftragswerk für die Mailänder
Scala: Pietra del paragone.
Da Italien mit seinen verstreuten Staaten kein wirksames
Urheberrecht besaß, beschränkten sich Rossinis Einnahmen aus seinen Opern
auf die Vorstellungen, in denen er mitwirkte. Die Bezahlung eines Komponisten
konnte sich mit der einer Primadonna messen. Da er gezwungen war, sich selbst
und in wachsendem Ausmaß auch seine Eltern zu unterhalten, stürzte Rossini sich von einer Oper in die nächste.
Die Zeit von Trandenzi bis La gazza ladra, die sich
mit seinen neapolitanischen Jahren überschneidet, war eine Zeit des ständigen
Reisens und der unermüdlichen kompositorischen Tätigkeit. Ganze Opern entstanden
in einem Monat. In diese Zeit fallen seine großen komischen Opern, Werke,
die von der reinen buffo-Oper bis zu gefühlvollen Komödien reichten, seine
mehr dem klassischen Ideal verpflichteten ernsten Opern und
seine besten Opern im Genre der semiseria.
Leider ist nahezu nichts über Rossinis Leben in diesen
Jahren bekannt. Anekdoten bezüglich seiner Amouren und seiner hingebungsvollen
Liebe zu seinen Eltern gibt es zuhauf, Dokumente hingegen nicht. Ebensowenig
kann man späteren Berichten trauen, selbst denen nicht, die von engen Freunden
wie Hiller, Alexis Azevedo oder Edmond Michotte herrühren: Derart viele
Aussagen, die sie Rossini zuschreiben sind so eindeutig falsch, daß man
annehmen muß, daß sie entweder Rossinis Äußerungen ausschmückten, oder aber
daß er seine jungen Jahre durch die rosarote Brille des Alters sah. Sicher
ist jediglich, daß Rossini zu dieser
Zeit der führende Komponist Italiens wurde. Seine Musik wurde gespielt und
fast überall enthusiastisch aufgenommen.
Die ersten beiden Opern Rossinis, die internationale
Anerkennung fanden, entstanden nacheinander für venizianische Theater: Trancredi,
eine opera seria, hatte am Teatro La Fenice am 6. Februar 1813 Premiere,
und die verrückteste aller buffo-Opern, L´italiana in Algeri,
kam am 22. Mai 1813 am Teatro S. Benedetto heraus. Nach Trancredi
und L´italiana war Rossinis Ruhm gesichert. Vom Jahresende 1813
bis zum Sommer des Jahres 1814 befand er sich überwiegend in Mailand, wo
er für das Teatro Re seine beiden venezianischen Erfolgsopern einstudierte
und überarbeitete und für die Scala zwei neue Opern komponierte, Aureliano
in Palmira (26. Dezember 1813) und Il turco in Italia (14. August
1814).
Aureliano errang in Mailand nur einen begrenzten Erfolg.
Il turco in Italia auf ein Libretto von Felice Romani war ein
Mißerfolg. Dennoch wird Il turco in Italia in der Literatur
als eine besonders gelungene komische Oper angegeben.
Ende des Jahres 1814 war Rossini wieder in Venedig und
schrieb Sigismondo für die Karnevalsspielzeit am La Venice.
Diese Oper fiel verdientermaßen durch.
Rossinis nächste Oper, Elisabetta,
regina d´Inghilterra ( 4. Oktober
1815), leitete seine neapolitanische Periode ein. Im Jahre 1815 übernahm
Rossini die Leitung der beiden Theater S.Carlo und del Fondo in Neapel.
Sein Vertrag forderte von Rossini jährlich zwei Opern zu komponieren. Während
der ersten Jahre (1815 bis 1817) seiner Verbindung mit Neapel schrieb Rossini
indes mehrere Hauptwerke für andere Städte, darunter zwei komische Opern,
Il barbiere di Sivigla und La Cenerentola, sowie
zwei im semiseria-Genre, Torvaldo e Dorliska und La gazza
ladra.
Kurz nach der Premiere von Elisabetta ging
Rossini nach Rom, wo er für die Karnevalszeit zwei Opern schrieb. Die erste,
Torvaldo e Dorliska, eröffnete die Spielzeit am Teatro Valle
am 26. Dezember 1815. Es gibt reizvolle Passagen in dieser Rettungs-Oper,
aber sie wurde nur mäßig aufgenommen. Die zweite Oper war der Barbiere
von Seviglia.
Nach 1820 unternahm Rossini Reisen nach London, Paris
und Wien. Besonders in Wien wurde er mit großer Begeisterung aufgenommen.
Unter anderem machte er Bekanntschaft mit Beethoven und Metternich. Seine
letzte italienische Oper, Seminaride, schrieb Rossini 1822 für
das Theater La Venice in Venedig. Im gleichen Jahr heiratete er seine erste
Frau, die Sängerin Isabella Colbran.
Im Jahre 1824 kehrte Rossini nach Frankreich zurück und
übernahm die Leitung des Theater Italien in Paris. Für seine Leistungen
wurde er zum Compositeur du roi et inspecteur general ernannt.
Am 3. August 1829 wurde schließlich seine letzte große Oper uraufgeführt:
Guillaume Tell. Diese Oper ist nicht mehr im italienischen Stil
komponiert, sondern enthält schon weitgehende Ansätze zur aufkommenden Grand
Opera. Nach 1830 schrieb Rossini keine Opern mehr, arbeitete aber bis 1836
an der Oper Italien in Paris und ließ dort neue Werke von Bellini, Donezetti
und Merca-dante herausbringen. Sein letztes großes Werk ist das 1832 entstandene
Sabat Mater.
In den Jahren 1840 1848 war Rossini Direktor des
Liceo Musicale in Bologna. Seine zweite Frau heiratete er 1846. Im Revolutionsjahr
1848 siedelte Rossini eilig von Bologna nach Florenz , da an seinem Haus
Proteste gegen den wohlhabenden Reaktionär und hohen Beamten
stattfanden. Dies ist kaum verständlich, da Rossini zum Beispiel im Barbier
mit einer Ehe zwischen dem Grafen Almaviva und Rosina durchaus den Sozialisten
entgegenkam. Rossinis Vater war Revolutionär und mußte dafür sogar eine
Gefängnisstrafe verbüßen. Rossini selbst sah sich in dieser Zeit eher unpolitisch
und in der Rolle des Beobachters.
Etwa 1847 begann eine schwere Krankheit mit Schlaflosigkeit,
Gehörtäuschungen und schweren Depressionen, welche erst 1857 in Paris geheilt
werden konnte. Nach seiner Genesung begann Rossini auch wieder zu komponieren,
allerdings ver-öffentlichte er diese Arbeiten nicht. Entstanden sind unter
anderem eine Messe und vokale Werke. In Paris erhielt er Besuch aus ganz
Europa: Richard Wagner, Liszt und Meyerbeer ( aus Paris ).
Rossini starb in Passy bei Paris am 13. November 1868
infolge einer Darmerkrankung. Im Jahre 1878 wurden seine Gebeine in die
Florentiner Kirche Santa Croce überführt.
Nach seinem neapolitanischen Debüt mit Elisabetta
regina dInghilterra (1815) führten Rossinis Wege nach Rom, wo
er für das Teatro Valle das Dramma semiserio Torvaldo e Dorliska
(Text: Sterbini) schrieb, das am 26. Dezember 1815 uraufgeführt
wurde, und einen vom selben Tag datierten Vertrag für eine Opera buffa für
das wichtigere Teatro Argentina unterzeichnete, deren Premiere für den 5.
Februar 1816 , dem Ende der Karnevalszeit, vorgesehen war. Da das vom Librettisten
Jacapo Ferretti vorgeschlagene Sujet bei Rossini offenbar keinen Anklang
fand, verfaßte Cesare Sterbini das Textbuch. Er erklärte am 17. Januar 1816
schriftlich, das Libretto zwischen dem 25. und 29. Januar abliefern zu wollen.
Die Idee der Handlung entstammt einem Schauspiel von Pierre Beaumarchais.
Das Ergebnis war eine Oper mit dem Titel Almaviva, ossia L´inutile
precauzione, was sie von Paisiellos bekanntem Il barbiere di
Sivigla unterscheiden sollte. Der gebräuchlichere Titel wurde indes
schon bei der Aufführung des Werks in Bologna im Sommer 1816 verwendet.
Rossini beendete die Komposition des I. Akts am 6. Februar, des II. Akts
sicherlich nicht viel später, denn die Bühnenproben begannen am 20. Februar,
und die Sänger mußten ihre Partien ja noch lernen. In Anbetracht des Umfangs
des Werks drängte also die Zeit. So ist es auch kaum verwunderlich, daß
die Oper bei der Premiere spektakulär durchfiel. Bei Kompositionen hat Rossini
aus anderen Werken bei sich selbst abgeschrieben. Als Begründung gibt Azevedo
als Zitat eine Äußerung Rossinis bezüglich der Vedröffentlichung seiner
sämtlichen Werke bei Ricordi in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts:
Ich bin wütend
über die Veröffentlichung,
die meine ganzen Opern zusammen unter die Augen des Publikums bringen wird.
Man wird die gleichen Stücke mehrmals finden, denn ich dachte, ich hätte
das Recht, aus meinen Mißerfolgen die besten Stücke herauszunehmen, sie
aus dem Wrack zu retten und in neue Werke einzubauen. Ein Fiasko schien
ein für allemal vorbei zu sein, und nun seht her, sie haben sie alle gerettet!
Es ist übrigens nicht richtig, daß Rossini ganze Teile
aus früheren Werken in den Barbier Oper verpflanzt hat. Die Ouvertüren schrieb Rossini oft zuletzt. Das könnte aufgrund
des Zeitdrucks dazu geführt haben, daß er eine bereits komponierte Ouvertüre
für die Oper übernommen hat. Abgesehen von der ursprünglich für Aureliano
in Palmira Mailand (1813)
geschriebenen und später für Elisabetta erneut verwendeten Ouvertüre,
beschränkte er sich darauf, einzelne Elemente und Motive zu entlehnen: Teile
des Chor Piano, pianissimo aus der Introduktion
und das Crescendo aus der Arie La calunnia stammen aus Sigismondo
(Venedig 1814), die ersten Takte von Ecco ridente in cielo (Introduktion)
und lo sono docile (Arie Una voce poco fa aus Aureliano,
der Einwurf Rosinas Ah tu solo, amor, tu sei im Duett Rosina/Figero
aus La cambiale di matrimonio (1810); der Orchestersatz zu i
confetti alla ragazza aus Bartolos Arie A un dottor della mia
sorte wurde Il signor Bruschino (1813) entnommen.
Die Vertonung von Dolce nodo avventurato
aus dem Terzett Ah! quel colpo stammt aus der Kantate Egle
e Irene (18l4), die von Di si felice innesto (2. Finale)
aus der Kantate L aurora (1815). Es ist übrigens auch
falsch, daß Manuel Garcia als Graf bei der Uraufführung eine andere canzonetta
als Se il mio nome sang. Zumindest in der Premiere trug Garcia
diese in damaliger Zeit häufig gestrichene Kanzone vor, wobei er sich improvisierend
auf der Gitarre begleitete.
Personen:
Il Conte d'Almaviva |
Graf Almaviva |
Bartolo |
Doktor der Medizin |
Rosina |
Sein Mündel |
Figaro |
Barbier |
Basilio |
Musikmeister |
Fiorello |
Diener des Grafen |
Berta |
(Marzelline) Haushälterin
|
Un Ufficiale |
Ein Polizei-Offizier |
I.
Akt: 17.
Jahrhundert, Der Schauplatz des Geschehens ist Sevilla
1.
Bild
ein Platz, links Bartolos Haus mit
einem begehbarem Balkon
Kurz vor Beginn der Morgendämmerung gibt Graf Almaviva
vor dem Haus Doktor Bartolos ein Ständchen für Rosina. Da niemand sich am
Fenster blicken läßt, entläßt er die Musikanten, die er gemietet hatte,
und versteckt sich, um eine günstigere Gelegenheit abzuwarten. Da erscheint
Figaro: Barbier, Vermittler jedes Geschäfts, das Faktotum der Stadt
und ein alter Bekannter Almavivas. Sofort erklärt er, daß er dem Grafen
zur Verfügung stehe und erzählt, daß die schöne Rosina, mit der Almaviva
in den Sälen des Prado in Madrid geliebäugelt hatte, nicht die Tochter,
sondern nur das Mündel Bartolos sei.
Dieser ist erst vor kurzem nach Sevilia gezogen, und Figaro geht bei ihm
ein und aus: Er kann Almaviva also helfen, Kontakte zu dem Mädchen anzuknüpfen.
Rosina hat sich unterdessen, da Bartolo das Haus verließ, hinter die Jalousie
gestellt, um die Liebeserklärung anzuhören, die Almaviva ihr in Form einer
Kanzone macht, freilich unter dem Namen Lindoro, denn er möchte Rosina nicht
dank seines Reichtums oder seines Adels erobern. Nun gibt Figaro ihm Ratschläge:
Almaviva soll sich als Soldat verkleiden; da an diesem Tag ein Regiment
in Sevilla eintreffe, wird er sich mit einem gefälschten Einquartierungsschein
in Bartolos Haus einnisten können. Außerdem soll Almaviva
sich betrunken stellen, denn einem Mann, der vom Wein schon schwankt,
wird Bartolo nicht mit Mißtrauen begegnen. Figaro gibt dem Grafen noch seine
Adresse und betritt Bartolos Haus.
2.
Bild
Zimmer in Bartolos Haus
mit vier Türen, im Hintergrund das Fenster, rechts ein Schreibtisch
Rosina möchte gern einen Brief in Lindoros Hände gelangen
lassen. Figaro, der eben die ersten Annäherungsversuche unternehmen will,
erscheint ihr sofort als der richtige Mann. Ihr Gespräch wird jedoch unterbrochen
durch Bartolos Ankunft; Figaro versteckt sich und Rosina zieht sich zurück.
Don Basilio, der Musiklehrer des Mädchens, begleitet Bartolo. Er informiert
den Freund, daß Rosinas unbekannter Liebhaber, Graf Almaviva,
sich in Sevilla aufhält. Bartolo, der sein Mündel heiraten möchte, ist nervös,
doch Basilio beruhigt ihn: Er wird dafür sorgen, daß über den Nebenbuhler
so viele Verleumdungen in Umlauf gesetzt werden, daß dieser binnen kurzem
aus der Stadt gejagt werden wird. Die beiden gehen fort, den Heiratskontrakt
aufzusetzen; Figaro und Rosina nutzen die Gelegenheit, um das unterbrochene
Gespräch wiederaufzunehmen. Figaro gibt ihr zu verstehen, daß Lindoro sie liebt, und bittet sie um einen Antwortbrief, den ihm
Rosina nach einigem Zieren auch übergibt. Bartolo kehrt zurück und bemerkt,
daß auf dem Schreibtisch ein Blatt fehlt und sein Mündel einen Tintenfleck
am Finger hat. Doch Rosina verteidigt sich tapfer. Unterdessen erscheint
der als Kavalleriesoldat verkleidete Almaviva und stellt sich betrunken.
Seinem Einquartierungsschein hält Bartolo vergeblich ein Dokument entgegen,
das ihn von Einquartierungen befreit. Kühn versucht er, Rosina unbemerkt
ein Briefchen zuzustecken: Bartolo gibt sich die größte Mühe es an sich
zu bringen, hält am Ende aber nur die Wäscheliste in der Hand, mit der Rosina
es geschickt vertauschte. Der Soldat beginnt zu schreien und
zieht den Degen; ein Tumult entsteht, und Figaro mahnt zur Ruhe, da der
Lärm die halbe Stadt auf den Platz gerufen hat. Soldaten stürmen ins Haus,
um den Ruhestörer zu verhaften. Doch ein dem Offizier vorgelegtes Dokument
genügt, und die Soldaten ziehen sich zurück. Zunächst versteinert vor Erstaunen,
geben später alle ihrer Verwirrung Ausdruck.
II. Akt
Zimmer in Bartolos Haus mit einem Sessel
und einem Klavier mit Notenpapier
Bartolo denkt über die Ereignisse nach:
In der Angelegenheit mit dem Soldaten sieht er nicht klar und bildet sich
deswegen ein, es handele sich um einen Abgesandten Almavivas.
Man klopft an die Tür: ein junger Mann tritt herein,
der sagt, er heiße Don Alonso, sei Schüler
von Basilio, der krank sei und ihn geschickt habe um Rosina Unterricht
zu geben. Es ist wieder Almaviva in
Verkleidung. Um den argwöhnischen Bartolo zu überlisten, gibt er ihm Rosinas
Brief. Dieser könne, so erklärt er ihm, dazu benutzt werden, dem Mädchen
die Illusionen zu nehmen; Bartolo müsse ihr nur sagen, Al-maviva habe diesen
Brief an seine Geliebte weitergegeben, um sich über Rosina lustig zu machen.
Das überzeugt Bartolo. Er ruft Rosina, die nun ihre Gesangs-stunde nehmen
darf, während der gerade im rechten Augenblick erschienene Figaro Bartolo
dazu überredet, sich in der Zwischenzeit rasieren zu lassen. Mit der Ausrede,
er wolle die Wäsche holen, läßt Figaro sich das Schlüsselbund geben:
Er entnimmt ihm den Schlüssel zur Jalousie, die auf den Platz führt. Alles scheint ganz nach Wunsch zu gehen. Da erscheint der völlig ahnungslose Basilio. Als er dabei ist, Bartolo die Wahrheit zu entdecken, bringen ihn eine Geldbörse Almavivas und die Schlauheit Figaros im letzten Moment dazu, sich zurückzuziehen um ein angebliches Scharlachfieber auszukurieren. Endlich kann Figaro Bartolo rasieren, wobei er daß Gespräch der beiden Liebenden tarnt. Doch Figaros Geschicklichkeit ist nicht allmächtig: Bartolo schnappt das Wort Verkleidung des angeblichen Musiklehrers auf, explodiert vor Wut und jagt ihn hinaus. Als alle fortgegangen sind philosophiert die Dienerin Berta melancholisch über das Universalübel: die Liebe, die alle verrückt macht. Basilio erklärt Bartolo, daß er diesen Alonso überhaupt nicht kennt; sollte es etwa Almaviva in Person gewesen sein. Bartolo ist nun ent-schlossen, sofort zu handeln: Basilio wird gesandt, um den Notar für die Trauung zu holen. Er zeigt Rosina den Brief, den er vom angeblichen Alonso erhielt und redet ihr ein, Figaro und Alonso seien nur Kuppler im Dienst Almavivas. Rosina geht in die Falle und willigt in ihrer Enttäuschung ein, den Vormund zu heiraten; auch entdeckt sie ihm den mit Figaro ausgearbeiteten Fluchtplan.
Kaum
ist Bartolo jedoch gegangen, um die Gendarmen zu holen, die Figaro und den
Geliebten Rosinas verhaften sollen, erscheinen die beiden im Fenster, das
sie über eine Leiter erreicht haben, während draußen ein Gewitter tobt.
Entschlossen entzieht sich Rosina Lindoros Umarmung. Doch der läßt den Mantel
fallen: Er selbst ist Almaviva. Die Liebenden wollen mit Figaro durch das
Fenster fliehen, doch müssen sie erkennen, daß Bartolo in seiner Vorsicht
die Leiter entfernt hat. Indes verläßt Figaro nicht der Mut. In der Zwischenzeit
ist Basilio mit dem Notar er-schienen. Die Trauung wird sofort vollzogen,
auch wenn es nicht die Trauung ist, für die der Notar gerufen wurde. Als
Bartolo zurückkehrt , ist alles entschieden: Almaviva und Rosina sind ein
Paar. Die Wut des Getäuschten legt sich bald, denn Almaviva verzichtet auf
die Mitgift. Figaro löscht die Laterne, der Schutz der Dunkel-heit umgibt
die Vermählten.
Der Oper liegt das Schema Pergoleses Opera buffa Serva
padrona zugrunde. Das Thema der Magd als Herrin, dem Sinn nach, nicht
als Stoff genommen, kehrt mit Rosina bei Rossini wieder. Damit ist auch
der klangliche Grundriß bereits vom Vorbild gegeben: Rosina ist dem Typus
der Opera buffa entsprechend ein in Mittellage gehaltener Sopran, welcher
jedoch mit Koloraturen ausgeschmückt wird. Das Singvogelhafte und Liebreizende
der Frauenstimme wird zum Selbstzweck. Die Frau ist in dieser Spielgattung
für den Italiener nur Geschlechtswesen, kein Charakter.
Mehr Abstufungen zeigen die Männercharaktere. Zu den
drei männlichen Haupt-stimmen Tenor ( Almaviva ), Bariton ( Barbier ) und
Baß ( Bartolo ) kommt nun noch der tiefe Charakterbaß ( Basilio )hinzu.
Das Finale I im ersten Akt ist ein Sextett aus zwei Frauen- und vier Männerstimmen,
dazu Männerchor. Diese Besetzung ergibt keine paarweise Gegenüberstellung
wie es im Mozart-Sextett üblich war. Auch der Chor war bisher in der Buffa
nicht üblich. Rossini setzt ihn auch nur zwei Mal ein: rein episodisch in
der Introduktion und als rhythmisch dynamische Akzentuierung im Finale.
Im Gegensatz zu seva padrona wird der Liebhaber
Almaviva als lyrischer Tenor komponiert. Aus seinem Vorhandensein ergibt
sich das Auftreten der übrigen Erscheinungen spielmäßig wie stimmlich, denn
hiermit werden die Grundlagen für ein musikalisch bewegungsfähiges Ensemble
geschaffen.
Die Oper ist in zwei Akte gegliedert. Hieraus ergeben
sich die zwei Höhepunkte, die am
Ende des jeweiligen Aktes in einem Ensemble kulminieren. Zwar hat Rossini
jedem Solist mindestens eine Arie geschrieben, in welchen die Charakteren
aus den Stimmen geformt werden. Die Finale bestehen jedoch aus Ensembles
und zeigen hiermit die Bedeutung des Ensemblespiels in der Buffo-Oper gegenüber
der solistischen Gesangsoper.
Rossinis Barbier bedeutet die Aufdeckungen einer äußersten
Spielmöglichkeit der Stimmen. Der Belcanto erfordert von den Sängern eine
kunstvolle und schöne Stimme mit Brillianz. Besonderen Wert
legt Rossini auf einen weichen Klang der Stimme. Da Rossini seine Opern
entsprechend den Möglichkeiten seiner Sänger, des Ensembles
der Uraufführung komponierte kannte er die stimmlichen Möglichkeiten der
Sänger. Das Virtuosentum ermöglichte und forderte von Rossini anspruchsvolle
Stimmen. Der Ambitus in der Kavatine reicht vom d in Takt 62 bis hoch zum
´A in Takt 68, welches für einen Bariton ungewöhnlich hoch ist. Neben Verzierungen
wie zum Beispiel im Duett in den Takten 8 und 11 sind es vor allem die Koloraturen,
welche den Gesangsstil kennzeichnen. Waren in den älteren Werken die Koloraturen
nicht angegeben und vom Sänger nach belieben eingefügt, so begann Rossini
diese auszuschreiben. Bei den üblichen, sonst improvisierten Koloraturen
in einer Kadenz war die Aufteilung des Textes auf die gesungenen Noten beliebig
und dadurch oft auf einem Vokal. Im Duett sind zum Beispiel in Takt 13 und
Takt 34 die Silben jeweils auf regelmäßige Notenwerte aufgeteilt. Das war
vor Rossini nicht üblich. Die Koloraturen bleiben weiterhin als brillierendes
Element und als Ausdruck der Freude am Singen bestehen, vollziehen unter
Rossini nur eine Entwicklung zur kunstvollen Genauigkeit. Der Text ist nur
ein Mittel, um die verborgenen Spielenergien des Gesangs frei zu machen.
Um den handlungsgemäßen Grundsinn und auch die Gestaltung dieses Textes
nicht in den Koloraturen zu verlieren hat Rossini zunehmend die Koloraturen
ausgeschrieben und die Gewichtung von Text und Melodie festgelegt. So werden
hier über die äußere Zufälligkeit des Librettos hinaus elementare Beziehungen
zwischen Sprachgeist und Klangspiel offenbart.
Ein weiteres Stilmerkmal ist das schnelle, syllabisch
gesungenen Parlando. Die Sätze Nr. 2 ( letzten 40 Takte ) und Nr. 10 ( ab
Takt 30 ) enden beide in schnellem Tempo und mit einer hohen Textdichte.
Die Melodie besteht aus Tonrepitationen, kurzen Motiven, welche oft wiederholt
werden, oder auf einer anderen Stufe tonal wiederholt werden. Da die Musik
thematisch nicht weiterentwickelt wird ist dies eine Möglichkeit der Steigerung
und Herbeiführung eines Höhepunktes. Der Satz erhält somit einen für den
Hörer sinnvollen Schluß.
Die Gegensätze von Koloratur und Parlando sind belebende
Merkmale, welche erst durch die einfache Harmonik und das wenige motivische
Material ermöglicht werden.
Wort
Ton Bezug
In der ersten Szene des zweiten Akts ( Nr. 10 ) unternimmt
der Graf erneut den Versuch, verkleidet in Bartolos Haus einzudringen und
zu Rosina vorzudringen. Beim zweiten Mal erscheint er, im Gegensatz zum
betrunkenen Soldaten zuvor, servil als Vertreter des Musiklehrers Basilio.
Analog zu seiner umständlichen Namensbefragung im Finale I trägt er nun
Bartolo nicht enden wollende Glück- und Segenswünsche vor. Wie in der Szene
zuvor reagiert jeder auf die Haltung des Dialogpartners durch beiseite gesungene
Kommentare. Rossini läßt diese Kommentare zwar im selben Tempo vortragen,
aber mit mehrfach verkürzten Notenwerten, so daß sie hektisch erregt wirken
(ab Takt 22). Durch diesen Kunstgriff wird musikalische Zeit hörbar, und
zwar als Unterschied zwischen der Verhandlungssprache der beiden Figuren
und dem jeweiligen Kommentar. Die Nähe zum Finale I mit seiner identischen
Ausgangssituation und deren Einheit von Bewegungsmaß und Zähleinheit läßt
den Hörer spüren, was seit dem Aktschluß mit den beiden Figuren geschehen
ist. Offenbar hat ihre psychische Belastbarkeit abgenommen. Bartolo in seiner
Abwehrstrategie und Almaviva in seinem Eroberungsplan sind gleichermaßen
nervös geworden: Attitüde und innere Verhaltensweise können nicht mehr zur
Deckungsgleichheit gebracht werden. Auf diese Weise gelingt es Rossini,
nach dem als klassischer Höhepunkt seiner Ensembletechnik geltenden Finale
I zu Beginn des zweiten Akts eine neue Spannung mittels ästhetischer Differenzierung
aufzubauen.
Orchester
Die Bedeutung des Orchesters im Barbier beschränkt sich
auf die Begleitfunktion.
Satz Nr. 10: Die Streicher spielen durchgehend gleichmäßig
auf schweren Zähl-zeiten. Bis auf den Triller in der 1. Violine bleiben
die Streicher vollkommen im Hintergrund. Die Blasinstrumente werden meistens
als Gruppe eingesetzt. Ihr Notenmaterial nimmt im Verlaufe des Duetts zu.
Das führt zu einem auskomponierten Crescendo. Singt die
Melodie im Parlando, so spielt das Orchester im Tutti und ebenfalls in schnellen
Notenwerten ( Takt 30 ). Das Orchester hat die Aufgabe, Parlando, Koloraturen
und den Dialog des Duetts zusammenzuhalten. Eine Ausnahme hierzu ist jedoch
die "Gewitter-Musik" Nr. 15. als ein selbständiges Intermezzo.
Motive
Ein wichtiges Motiv des Satzes Nr.2 wird gleich zu Beginn
im ersten Takt in den Flöten vorgestellt: drei Achtel in einer Gruppe, die
Melodie schreitet einen Ton aufwärts und macht dann einen Terzsprung abwärts.
Dieses Motiv erscheint hier dreimal. Nachdem es in den Takten 9, 10 um eine
Stufe nach oben versetzt wird erscheint es in der Umkehrung und verkürzt
ab Takt 17 in den Fagott- und Klarinettenstimmen. Selbst die Begleitung
des Orchesters ab Takt 19 erinnert noch an das Motiv. Das La lera
Figaros besteht aus einem ähnlichen Motiv. Es besteht wieder aus einer Achtelgruppe
von drei Achteln mit einem Terzsprung hoch und zurück. Auf die betonte Zählzeit
erfolgt eine Viertel. Der letzte Sprung ist jeweils ein Quintsprung. Diese
Motive sind so eng miteinander verwand, daß sich kaum noch unterscheiden
läßt ob es eigenständige Motive, oder nur Variationen eines Motivs sind.
Ab Takt 110 erscheint ein ähnliches Motiv. Es entspricht dem La lera
des Anfangs, nur daß die Achtelgruppe auf einem Ton repetiert. Diese Vereinfachung
wird aber später in der Stretta wieder aufgehoben. Rossini stellt eine Auswahl
an Motiven vor. Diese Motive bringen Abwechslung in den Melodieverlauf.
Entscheidend ist die Tatsache, daß die Motive innerhalb des dramaturgischen
Verlaufs keine Veränderung erfahren. Figaro hört mit dem gleichen Motiv
auf mit dem er auch angefangen hat. Diese Beschränkung auf wenige Grundmotive
sind auch ein Grund für die Beliebtheit seiner Opern. Die Melodie klingt
sofort vertraut und läßt sich vom Verlauf her leicht erfassen.
Charakterisierung
Bei Rossini sind die Figuren auf Typen der Commedia
dell´arte reduziert, aber durch die Ausstellung der dafür benutzten
Kunstmittel gleichzeitig ironisiert. Das ergibt den doppelten Boden unter
der Eindeutigkeit in Figaros Bravourauftritt Largo al factotum della
citta ( Nr. 2 ). Das Imponiergehabe, mit dem er auftritt, ist hohl
und übertrieben.
Man kann beispielsweise verschiedene Textstellen zur
gleichen Orchesterbegleitung hören, etwa die Takte 17/40, 163/186, 209/322
untereinander austauschen, ohne das sich musikalisch etwas ändern würde.
Hier handelt es sich nicht um Wiederholungen in einer Durchführungsmusik,
sondern um Versatzstücke in einem schablonisierten Gerüstsatz. Der Inhalt
des Textes steht in diesem Moment in keinem direkten Verhältnis zur Musik.
Ein Wort-Ton Bezug ist folglich in diesen Takten nicht vorhanden. Doch gerade
diesen Mangel nutzt Rossini als Stilmittel.
Die Anlage der Kavatine ist formal wie harmonisch gleichermaßen
einfach. Der Kettenform mit rondoartiger Wiederholung bekannter
Glieder und einer Stretta als Schlußsteigerung entspricht der harmonische
Plan: 16 Orchestertakte C-Dur, 84 Takte C, 50 Takte Mittelteil mit einfachem
modulatorischem Schema ( G Es ), wieder 84 Takte C mit einer kurzen
Ausweichung nach As. Der Mittelteil erzeugt durch die neue Tonart Abwechslung
und Spannung beim Zuhörer. Allerdings ist die Modulation im Text nicht begründet
und nicht zwingend nötig für die Entwicklung der Kavatine. Es gibt also
keinerlei Entwicklung, nicht einmal ein variables Fortschreiten, sondern
lediglich eine mechanische Aneinanderreihung. Doch eben die sorgt bei weitgehend
gleichbleibendem metrischem Bewegungsgestus für eine umwerfende Motorik.
Mit der ironischen Darstellung wird Figaro aus der unabhängigen
Sichtweise des Betrachters charakterisiert. Die Zweideutigkeit der Figur
entsteht aus ihrer musikalischen Eindeutigkeit, aus der Überzeichnung und
Übertreibung des realistischen. Rossinis komische Opern sollen ein Spiegelbild
des Durchschnittsitalieners sein. Bis auf die ernsten Rollen
des Liebespaares werden alle anderen Personen von Rossini beispielhaft
für einen bestimmten menschlichen Charakter durch den Kakao gezogen.
Als einen Überblick über die damalige Gesellschaftliche
Situation und die musikalische Ausbildung der Opernkomponisten und Musiker
in Italien; Italien und seine Bedeutung für die Entwicklung der Oper
Als ein Überblick über die damaligen musikalischen Gattungen in der Oper und besondere Stilmerkmale der Opera buffa; die Opera buffa als ein Beispiel des Musikdramas
Das Beschreiben und erkennen von Rossinis Kompositionsstil anhand von Beispielen aus dem Barbier
Ein Vergleich von Rossinis Leben, seinen Erfolgen mit denen
eines heutigen Popstars; Gründe für die Beliebtheit seiner Opern und Vergleiche
mit der heutigen Popmusik ( Gemeinsamkeiten, Unterschiede )
1.
Die
Opera buffa
Italien, das 19. Jahrhundert, MGG Bd.4, 1997
Paul Bekker: Wandlungen der Oper, Orell Füssil
Verlag Zürich 1983, S. 67 ff.
Opera buffa , MGG Bd.
7, 1997
2. Il barbiere di siviglia
Biographie: Rossini
Rossini, MGG Bd. 11, Spalten 948-955, 1963
Herbert Weinstock: Rossini, 1968
J. B. Metzler: Meister der italienischen Oper,
Weimar 1993, S. 25-35
Entstehungsgeschichte
J. B. Metzler: Meister
der italienischen Oper Weimar 1993 S. 35
Il barbiere di siviglia, Geschichte des Musiktheaters,
Piper
Herbert Weinstock: Rossini, 1968
Besetzung und Handlung
Il barbiere di siviglia, Geschichte des Musiktheaters,
Piper
Beispiele für Stilmittel
Paul Bekker: Wandlungen der Oper, Orell Füssil Verlag Zürich 1983, S. 70
Ulrich Schreiber: Opernführer für Fortgeschrittene S. 203 - 208
J.
B. Metzler: Meister der italienischen
Oper Weimar 1993, S. 27ff.
3.
Lernziele
Notentext
Rossini: Barbier de Seville, Dover Publications,
1989
Rossini:
Il Barbiere di Siviglia, Ricordi, Nr. 131295